Hausgeschichte
Einst erbaut aus Steinen und Träumen.
Viel erlebt, noch mehr überdauert.
Raum für die auf Reisen. Speis und Trank bei der Einkehr.
Lernen musst du nichts, aber erfahren kannst du viel.
Das Haus am Grienanger
Jahrhunderte im Gepäck
1661. Diese Zahl ist in die Balken der alten Stube geritzt und erzählt vom frühesten Kapitel eines Hauses, das seither selten stillstand. Wer hier vorbeikam, blieb manchmal nur für eine Nacht – manchmal länger. Die ältesten Inventarlisten sprechen von Tischen, Bänken, Krügen, Gastbetten, einem Keller voller Wein, Stallungen und einer Wagenremise. Alles Hinweise auf ein Wirtshaus, das seit Jahrhunderten Menschen versorgt – auf Reisen, beim Arbeiten, beim Leben.

Dass das Haus oft den Besitzer wechselte, gehört zu seiner Geschichte dazu. Doch die Nutzung blieb erstaunlich konstant: ein Ort der Bewirtung, der Begegnung, der Versorgung. Besonders in jener Zeit, als seine Eigentümer Proviantführer waren – ein Berufsstand, der heute nicht mehr existiert, damals jedoch zu den wichtigsten entlang der Eisenstraße zählte. Sie versorgten die Arbeiter in den Schmieden und Hämmern mit Lebensmitteln und erhielten im Gegenzug Provianteisen: ein Rohstoff, aus dem in den umliegenden Hämmern Werkzeug, Nägel und Alltagsgerät entstand. Ein frühes logistisches Netzwerk – und dieses Haus war mittendrin.
Als Lunz am Ende des 19. Jahrhunderts zum Sommerfrische-Ort wurde, verschob sich der Blick: Die Menschen kamen nicht mehr nur, um zu arbeiten oder weiterzureisen, sondern um zu bleiben. Um zu schwimmen, zu schreiben, zu musizieren. Künstler:innen, Musiker, Schauspielerinnen und Wissenschaftler fanden ihren Weg an den See. Auch der spätere Hollywood-Komponist Fritz Spielmann (Fred Spielman) soll hier seine ersten Schritte als Barpianist gemacht haben – in einer Hotelbar in Lunz, bevor er als Jude durch das NS-Regime zur Flucht gezwungen wurde und seine Karriere in den USA fortsetzte. Das Haus am Grienanger stand mitten in diesem Wandel – leise, beständig, voller Geschichten. Und irgendwann wurde es still. Zu still.
Bis zu jener Winternacht 2019.
Joachim und Heinz blieben im Schneetreiben davor stehen und sahen nicht nur ein leeres Haus, sondern ein Kapitel, das weitergeschrieben werden wollte. Gemeinsam mit dem FORMDEPOT – der von ihnen gegründeten Kooperative für Handwerk, Architektur und Design – brachten sie die Idee eines Hauses zurück, das Vergangenheit und Gegenwart verbindet.
Heute lebt dieses Haus wieder – durch Menschen, die ihm täglich Wärme geben: Fanny empfängt Gäste mit einer Offenheit, die Räume sofort leichter macht. Und Christian kocht mit einer Gelassenheit, die man in jedem Teller spürt.
So verbindet das Refugium Lunz das Vergangene mit dem, was heute zählt: Aufmerksamkeit, Qualität, ein Zuhausegefühl. Ein Haus, das Menschen empfängt – mindestens seit 1661 – und das auch in Zukunft nicht damit aufhören wird.